Davonlaufen ist gefährlich

Gorilla

Die Fährtensucher fanden die Affenfamilie auch, doch dann machte selbst der seit 20 Jahren mit Gorillas vertraute Grzimek, bei dem Gorilla-Kinder schon im Zimmer geschlafen haben, den Fehler, seine Kamera allzu lange auf den mächtigen Gorilla-Mann mit dem silberhaarigen Rücken zu richten.

Das darf man bei keinem Menschenaffen tun. Diese Tiere soll man auf keinen Fall ausgiebig anstarren, auch wenn sie ihrerseits uns anglotzen. Das sture Zurückstarren wird von ihnen meist als ein Angriff empfunden, gewissermaßen als das Fixieren einer Beute. Das glitzernde Kamera-Objektiv vor Grzimeks Gesicht war für Kasimir offenkundig eine Art Über-Auge.

Affen

Was dann passiert ist, schildert Bernhard Grzimek so: "Plötzlich rast der schwarze Riesen-Gorilla-Mann schreiend auf mich zu. Bis auf anderthalb Meter! Dann weicht er kurz vor mir seitlich ab, macht einen Bogen, läuft etwa zehn Meter seitlich zurück, setzt sich hin und sieht von mir weg. Mein Herz klopft fast hörbar - aber ich bin stehen geblieben! Seit 20 Jahren hatte ich mir überlegt, ob ich es fertigbringen würde, vor solch einem wütenden, fünf Zentner schweren Muskelprotz mit zweieinhalb Meter Armspannweite nicht davonzulaufen..."

Das Davonlaufen vor angreifenden Gorillas ist lebensgefährlich. Ein wütender Gorilla beißt von hinten auf einen fliehenden Gegner ein. Wenn der Gegner ein Gorilla ist, macht das wenig. Doch ein Mensch hält das nicht aus. Zum Gorilla-Sozialverhalten gehört es, dass bei den sowieso seltenen ernsthaften Raufereien der Überlegene um keinen Zentimeter ausweicht und der Unterlegene davonläuft, wenn er aufgibt. Wenn der Kräfteunterschied groß ist, wird der Davonlaufende gleich noch ein bißchen verprügelt und gebissen, damit er für eine Weile genug hat. Wie soll eine Gorilla wissen, dass ein Mensch solch eine Zurechtweisung möglicherweise nicht aushält?

Dieses Nicht-Begreifen geht so weit, dass selbst Menschen, die einen Gorilla in ihrer Familie aufgezogen haben, nach zehn bis 15 Jahren nicht mehr zu ihrem - dann voll ausgewachsenen - Tier in die Käfige gehen können. Schon die freundschaftlichen Begrüßungszeremonien zwischen Pflegemutter oder Pflegevater und den massigen Tieren könnten Rippen kosten. Ein fröhliches Gorilla-Spiel könnte den armen Menschen vollends ins Krankenhaus bringen.