Bocksgestank und Sündenbock

Das Wort "Ziege" als Bezeichnung für unser heutiges Haustier, das lange mit der "Geiß" in Konkurrenz lag, hat sich dank der Autorität der Lutherbibel im Sprachgebrauch durchgesetzt. In viel stärkerem Umfang als alle bisher behandelten Tiere sind Ziege und Ziegenbock die Quelle bildlicher Redewendungen. In Anlehnung an die Römer und verstärkt durch die Strenge der christlichen Kirchenväter, denen der griechische Fruchtbarkeitskult verdächtig vorkam, werden Ziege und Ziegenbock meist nur negativ gesehen.

Ziegenherde
Eine Ziegenherde trottet durch die Gassen der Altstadt von Damaskus
Huftiere

An eigene kultische Vorstellungen der Germanen, nach denen Donar auf einem Wagen über den Himmel fuhr, der von zwei Ziegen gezogen wurde, erinnert noch das Ziegenbocksfest am St.-Jakobs-Tag, an dem ein Ziegenbock von schlesischen und böhmischen Rathaustürmen heruntergestürzt wurde, den man anschließend (gebraten, versteht sich) gemeinsam verspeiste. Auf Goethes "Faust" mit der Bocksgestalt Mephistos haben wir schon hingewiesen. In der Walpurgisnacht reiten die Hexen auf Ziegenböcken. Bocksgestank und Sündenbock haben unseren Sprachgebrauch um manche Redewendung erweitert. Wenn wir einer ungeeigneten Person ein Amt verleihen, machen wir den Bock zum Gärtner. Wenn wir jemand ins Bockshorn jagen, bringen wir ihn in Verlegenheit. Ursprünglich wurde das Osterfeuer "Bockshorn" genannt, in das Opfertiere getrieben wurden. Man sieht, dass noch die alte heidnische Fruchtbarkeitsidee durchschimmert. Wenn wir einen Fehler machen, "schießen" wir einen Bock. Das entspricht der alten Sitte, Fehler auf den verschiedensten Gebieten mit den Namen von Tieren zu bezeichnen: Ein schlechter Wurf beim Kegeln ist ein "Pudel".

Wenn Bocksprünge auch keine Seitensprünge sind, werden sie in der vornehmen Sprache gern als Kapriolen bezeichnet in Anlehnung an das lateinische Wort für die Ziege. Wenn jemand einen sprunghaften Charakter hat, nennt man ihn kapriziös. Eine andere Erscheinungsform der Ziege kam relativ spät ins Gerede: Wenn wir kritisieren, dann meckern wir - wie die Ziege.

Als bescheidenen Beitrag der Vereinigten Staaten verweisen wir auf den Ziegenbart (goatie) von Uncle Sam, dem Urtyp des Amerikaners, als dem Symbol der Sparsamkeit, die einst als typisch für die Amerikaner angesehen wurde. Dahinter steckt die Vorstellung von der Kuh des armen Mannes und die (antike) Auffassung, dass die Ziege ihr Fett innerlich ansetzt, unsichtbar für die Habgier des Menschen. In Anlehnung an diese Auffassung gibt es auch in Deutschland regional die Redewendung: "Der hat es inwendig wie die Ziege".

Bergziegenbock
Bergziegenbock

"Ziegenbock" als Schimpfwort für den Schneider ist viel älter als Wilhelm Busch, aber wir denken natürlich an die Worte der bösen Buben: "He, heraus, du Ziegen-Böck! Schneider, Schneider, meck, meck, meck." Den störrischen Charakter der Ziege meinen wir, wenn wir jemand als "bockbeinig" bezeichnen. Und wenn der Motor "bockt", gilt wieder dieses sprachliche Bild. Wenn wir etwas versauen oder verbocken, greifen wir noch tiefer in den Schatz tierischer Vergleiche.

Dass das Bockbier mit dem Ziegenbock wahrscheinlich nichts zu tun hat, mag die Bayern kalt lassen. Dass es aber ursprünglich das berühmte Bier von Einbeck aus Niedersachsen bezeichnet, dies sollte über diese Kolumne hinaus auf keinen Fall publik werden. Sicher hat dagegen der Bocksbeutel als Bezeichnung für den Würzburger Steinwein mit dem Ziegenbock zu tun. Der Name bezieht sich ursprünglich auf die Form der Flasche (die dem Hodensack des Ziegenbocks ähnelt). Wollten die Franken sich damit auch die Kraft des Ziegenbocks einverleiben? Wir jedenfalls heben unser Glas - zum Wohl auf dieses Tier. Auch dem Antialkoholiker ist es gestattet, mit Ziegenmilch fromm seiner zu gedenken.