Vom Gemahl blieb nichts übrig

Es sah entsetzlich aus: Ein in Liebe vereintes Paar (was die Hinterleiber und die Umarmung durch das Weibchen anbelangte) und das Männchen ohne Kopf, nach einer weiteren Stunde ohne den langen Brustabschnitt.

Insekten
Gottesanbeterin

Nur ein einzigesmal bemerkten wir ein leichtes Zucken des männlichen Torsos - offenbar war die Amazone am Brustganglion, der größten Masse von Nervenzellen im Insektenkörper, angelangt.

Manchmal hielt das Weibchen den Körper des Männchens mit beiden Fangbeinen umklammert, ab und zu auch nur mit einem, so zum Beispiel beim Fressen eines Hinterbeines, das vom linken Fangbein wie eine ungekochte Spaghetti gehalten und langsam, aber stetig von den Mundwerkzeugen aufgeknabbert wurde.

Gottesanbeterin

Dreieinhalb Stunden haben wir bei dem seltsamen Liebesmahl ausgeharrt. Im Schlund des Weibchens, das ab und zu eine Freßpause einlegte, verschwanden die männliche Brust, die Flügel (nur ein paar Fetzen von ihnen fielen zu Boden) und schließlich der Hinterleib, der immer kürzer wurde. Mehr und mehr mußte sich das Weibchen krümmen, um weiterfressen zu können, denn immer noch waren die Hinterleibsenden vereint. Erst als es den Hinterleib zur Hälfte aufgefressen hatte und nur noch zwei Zentimeter vom einst zehn Zentimeter langen Männchen übrig waren, zog das Weibchen dieses Reststückchen aus seiner Geschlechtsöffnung heraus und streckte sich lang, um das Mahl zu vollenden.

Etwa dreißig Jahre untersuchen und beobachten wir nun schon Insekten. Doch so etwas Spannendes und gleichzeitig Grausiges hatten wir nie erlebt.