Schöne Schwimmerin

Reptilien

Sie werden so alt wie wir, aber sie haben uns etwas voraus: Sie wachsen bis zu ihrem Lebensende. Und werden dabei immer schöner.

Nie konnte man sie richtig sehen. Sobald  man in ihre Nähe kam, ließen sich die Tiere ins Wasser gleiten und tauchten weg. Doch eines Tages konnte ich eine dieser Zierschildkröten ganz aus der Nähe betrachten. Ich hätte allerdings gerne darauf verzichtet und auf eine andere Gelegenheit gewartet. Das Tier - eine Chrysemys picta bellii ging mir nämlich im Sommer 1943 an die selbstgemachte Angel, die ich unweit des kanadischen Gefangenenlagers, in dem ich untergebracht war, an einem See ins Wasser hielt.

Glücklicherweise bestand der Angelhaken nur aus einem umgebogenen, vorn scharf zugeschliffenen dünnen Nagel. Ich konnte ihn daher entfernen, und er hinterließ keine ernsthafte Verletzung. Natürlich nahm ich die Gelegenheit wahr, mir das Reptil näher anzusehen. Es verdiente die Bezeichnung "Zierschildkröte" mit vollem Recht. Kopf, Hals und Beine waren mit gelben, zum Teil gegabelten Längsstreifen versehen. Der ovale, etwa 15 Zentimeter lange dunkelolivgrüne Rückenpanzer trug am äußersten Rand eine gelblichrote Einfassung. Gelblichrot war auch der Bauchpanzer. In seiner Mitte befand sich als aparter Kontrast eine dunkle Figurenzeichnung.

Die Zierschildkröten (Gattung Chrysemis) wie auch die Schmuckschildkröten (Gattung Pseudemys) sind nicht etwa auf Schönheit gezüchtete Tiere, sondern normale Wildformen. Sie leben im Süßwasser, vorwiegend in stehenden Gewässern, und kommen in weiten Teilen der USA ebenso vor wie im südlichen Kanada. Auch dort, in ihrem nördlichsten Verbreitungsgebiet, sind die Tiere den extremen Klimaverhältnissen (subtropische Sommer und beinahe arktische Winter) hervorragend angepaßt. Schon kurz nach dem Auftauen des Eises erwachen sie aus der Winterstarre, fressen wieder etwas und paaren sich. Die Paarung erfolgt in diesen Breiten so früh, damit die Jungtiere in dem kurzen kanadischen Sommer eine bestimmte Mindestgröße erreichen können, ohne die sie ihre erste Überwinterung nicht lebend überstehen würden. Die Weibchen suchen nach der Paarung eine geeignete Stelle zur Eiablage an Land, heben mit den Hinterbeinen eine Grube aus und legen die hartschaligen Eier hinein. Das Ausbrüten besorgt die Sonne - oder, besser gesagt, die von der Sonne erzeugte Bodenwärme. Gleich nach dem Schlüpfen laufen die Jungen ins Wasser. Ihre Eltern kümmern sich nicht im geringsten um sie. Mit Paarung und Eiablage sind ihre Bemühungen um die Arterhaltung beendet.