Der Andenkondor ist ein Aasfresser

Nur bei Nahrungsmangel greift er ausnahmsweise auch kleinere oder geschwächte Tiere an. Für Menschen und Haustiere ist er ungefährlich.

Es gibt keinen belegten Nachweis dafür, dass Kondore jemals gesunde Weidetiere oder gar Menschen angegriffen haben. Zwar wird davon erzählt, doch halte ich solche Geschichten für Schauermärchen, wie man sie auch anderen großen Greifvögeln angedichtet hat. Da gibt es die haarsträubenden Stories von kinderraubenden Steinadlern, wie sie fast alljährlich in der Presse auftauchen Geschichten, bei denen die Phantasie mit dem Schreiber durchging.

Mit dem Kondor ist es vermutlich genauso. In manchen Gebieten der südamerikanischen Anden hat sich bei Bauern die Fama gehalten, Kondore seien Viehräuber. Deshalb werden diese harmlosen Vögel in einigen Gegenden verfolgt, obwohl sie in den meisten Ländern unter Schutz stehen - auch in Argentinien.

Vögel

Wenn man sich die Füße eines Kondors anschaut, so muß jeder erkennen, dass sie nicht zum Beutegreifen geeignet sind. Der Schnabel ist zwar kräftig, dient aber vor allem dazu, die Haut eines Kadavers aufzureißen und Innereien sowie Fleischteile herauszuzerren.

Kondore sind Langschläfer. Sie verlassen ihre Schlafplätze in hohen Felswänden meist erst dann, wenn durch Sonnenbestrahlung genügend kräftige Aufwinde entstanden sind, die den Vögeln kräftesparenden Segelflug ermöglichen. Sie gleiten dann - wie große Altweltgeier - fast ohne Flügelschlag dahin und suchen das Gelände ab. Man weiß heute, dass sie - im Gegensatz zu verschiedenen anderen Neuweltgeiern - Tierkadaver ausschließlich optisch finden. Mit ihren äußerst leistungsfähigen Augen beobachten sie alles, was sich unter ihnen abspielt. Wie für die Altweltgeier, so spielen auch für den Kondor andere Aasfresser (Füchse, Hunde, Geierfalken) als "Anzeiger" eine wichtige Rolle. Sind solche an einem Kadaver beschäftigt, so ist das für einen dahinsegelnden Kondor ein Signal, die Nahrungsquelle näher zu inspizieren. Andere in der Nähe vorübersegelnde Kondore folgen dann meist rasch. Auch regungslos liegende Körper locken die Kondore an.

In seinem Lebensraum, den Anden und ihren Vorgebirgen, hat der aasfressende Kondor natürlich Nahrungskonkurrenz. An Säugetieren sind es vor allem Füchse, während er unter den Vögeln mit verschiedenen Geierfalken konkurrieren muß - besonders mit dem Caranchofalken (Polyborus plancus) und dem Chimangofalken (Milvago  chimango) sowie gelegentlich mit dem Riesenbussard oder Aguja (Geranoáétus  melanoleucus), dem Raben- (Coragyps atratus) und dem Truthahngeier (Cathartes aura). Als die mit Abstand größte Art dominiert der Kondor klar über die übrigen gefiederten Konkurrenten. Er muß nur rechtzeitig zur Stelle sein, sonst haben ihm die anderen alles weggefressen.