Der Vetter aus Amerika

Mit dem mitteleuropäischen Flusskrebs ist kein großer Staat mehr zu machen: Eine Seuche hat ihn fast ausgerottet. Doch gibt es bei uns wieder Krebse, andere: Sie kommen aus Amerika. Offenbar fühlen sie sich hier wohl. Und sie schmecken so gut wie ihre europäischen Vettern.

Flusskrebs
Flusskrebs
Fluss- oder Edelkrebse treten in vielerlei Farben auf, und man kann sie durchaus hübsch finden. Unsere Urgroßväter dachten (obwohl sie die Krebse nicht weniger gern verspeisten als wir) ganz anders darüber. "Daß Thiere solcher Art nicht schön sind, bedarf keines Erweises", konnte man im Jahr 1830 lesen, "die wimmelnden Füße, die kneifenden Scheeren, alle die Borsten und Tasten haben etwas Abstoßendes." Und, weit schlimmer: "Von einem Seelenleben darf hier kaum noch gesprochen werden."

Es ist oft schlimm, was der Mensch mit seiner Umwelt anstellt. Aber nicht immer ist der Mensch schuldig, wenn eine Tierart aus einer Kulturlandschaft verschwindet. Ein Beispiel dafür ist in Mitteleuropa der Fluss- oder Edelkrebs (Astacus astacus). Dieser bei Feinschmeckern beliebte Süßwasserkrebs ist schon immer gefangen worden, gewiss. Doch reichte der fischereirechtliche Schutz aus, um ihn in guten Beständen zu erhalten: Der Fang war nur ab einer bestimmten Größe erlaubt. Der Rückgang der Krebse war die Folge einer Infektion mit dem Algenpilz Aphanomyces astaci, der in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts seuchenartig die Edelkrebsbestände Europas vernichtete.

Die Seuche begann um 1860 in der Lombardei. Sie griff von dort nach Frankreich über, wo bis zum Ende der 70er Jahre alle Krebsbestände erfasst und dezimiert waren. Ab 1880 wurde Deutschland, ab 1890 Russland von der Krebsseuche überflutet, und 1907 begann sie auch die Edelkrebsgewässer des bisher verschonten Skandinavien zu verheeren. Nur in wenigen kleinen, entlegenen Gewässern wütete diese Krebspest nicht. Weil Edelkrebse als feines Nahrungsmittel sehr geschätzt sind und die Krebsfischerei auch ein gewisser Wirtschaftsfaktor war, unternahm man bald nach dem Erlöschen der Krebspest Versuche, die entvölkerten Gewässer wieder zu besetzen. Doch das schlug zunächst fast überall fehl, weil die Seuche wieder aufflammte. Auch heute kann man das noch erleben. Wahrscheinlich warten die Erreger der Krebspest auf gute Zeiten, während sie in Kleinkrebsen - Wasserflöhen, Hüpferlingen und Flohkrebsen - schmarotzen.