Löwen im Mausformat

Sie sind wie Raubtiere: Schnell, wild und rauflustig. Aber winzig.

Spitzmaus
Insektenfresser

Wenn ich so höre, wie meine Freunde die Frau fürs Leben fanden, so war es gewöhnlich nicht Liebe auf den ersten Blick. Viel öfter brachte der erste Eindruck vom künftigen Partner ein gar nicht so vorteilhaftes Bild.

Auch meine erste Begegnung mit den Spitzmäusen war mehr ein Unfall. Eines morgens saßen zwei Feldspitzmäuse wohlig vollgefressen mitten in meiner Mehlwurmzucht, deren kostbare Ernte als Futter für meine zarten Stubenvögel reserviert war. Ich setzte, etwas ungehalten, die Eindringlinge in ein geräumiges Terrarium und auf eine sehr viel bescheidenere Diät: auf Fleisch und Gekochtes aller Art, wie es vom Mittagstisch abfiel. Da es sowieso auf den Winter zuging, meinte ich, das warme Plätzchen würde meinen Gästen besser bekommen als die rauhen Tage draußen.

Meine Feldspitzmäuse machten in ihrem neuen Heim zunächst eine Ehrenrunde, die offenbar zu ihrer Befriedigung ausfiel. Denn anschließend taten sie das, was Spitzmäuse normalerweise am Tage tun: Sie gingen schlafen - unter einem Rindenstück, das ich ihnen als Unterschlupf hingelegt hatte.

Überhaupt waren sie von Anfang an bei mir wie zu Hause. Ihre Welt ist so klein, dass das Terrarium groß genug war für sie. Und den Giganten Mensch empfinden sie nicht als Feind. Sie schnüffelten zutraulich an meinen Fingern, und wenn ich die Rinde abhob und den Schlafenden über ihr braunes Samtfell strich, so blieben sie eine Weile sitzen, ehe sie mit leisem Quieken erwachten und ihre feinen Rüssel zitternd in die Höhe reckten um zu schnuppern. Dann sausten sie wohl auch mit schrillem Gequiek in ein anderes Versteck.

Solange Licht im Zimmer war, sah ich wenig von meinen Gästen. Wenn es dunkel war, liefen sie geschmeidig und wieselflink umher, Am liebsten bohrten sie sich durch das dichteste Halmgewirr, so dass man nichts von ihnen sah. Man hörte nur ihr feines Quieken und Wispern, das zum Teil im Ultraschallbereich liegt. Vielleicht dient es ihnen ebenso zur Orientierung wie den Fledermäusen. Ihre winzigen Knopf Augen sind nicht gut. Sie taugen kaum zu mehr als zur Unterscheidung von Hell und Dunkel und zum Wahrnehmen von Bewegung.

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