Mit Zeit und Geduld

Reptilien
Zierschildkröte

Schon bald merkten wir, dass unsere Bemühungen zu nichts führen würden. Nie reagierte auch nur eine einzige Schildkröte auf das Pfeifen.

Alles lachte über uns. Schildkröten hören offenbar schlecht oder überhaupt nicht. Viele Zoologen halten sie für taub.

Aus der Nähe kann man Zierschildkröten nur beobachten, wenn man viel Zeit und große Geduld hat. Ihre gesamte Aktivität entfalten die Tiere während des Tages. Meist schwimmen sie auf der Suche nach Futter im Wasser umher. Dank ihrer abgeflachten Ruderbeine und der Schwimmhäute zwischen den Zehen entwickeln sie dabei eine erstaunliche Geschicklichkeit. Die liebste Beschäftigung der Zierschildkröten aber ist das Sonnenbaden. Sie klettern dazu auf Steine, die in Ufernähe aus dem Wasser ragen, oder suchen sich ein trockenes Plätzchen an Land in unmittelbarer Nähe des Ufers. Dort setzen sie ihren Körper wohlig den Sonnenstrahlen aus. Die Tiere bieten dabei ein Bild völliger Gelöstheit und Sorglosigkeit. Aber das scheint nur so. Sobald der heimliche Beobachter seine Stellung auch nur etwas verändert, heben sie den Kopf und sind bei der nächsten geringsten Bewegung blitzschnell im Wasser verschwunden.

Der kanadische Sommer ist herrlich, dauert aber im Vergleich zu deutschen Sommern nicht lange. Er kommt schnell ohne deutlichen Frühling. Der Winter dagegen lässt in Kanada immer etwas auf sich warten. Ihm geht ein wunderschöner Herbst voraus, der dort lndianersommer genannt wird.

Alle Tiere, die in Winterstarre fallen oder Winterschlaf halten, nehmen während des "Indian Summer" ganz besonders viel Nahrung auf. Sie müssen noch möglichst viel Fett ansetzen, um die bevorstehende kalte Jahreszeit gut zu überstehen.

Die Zierschildkröten in unserem Freiland-Terrarium machten keine Ausnahme. Sie wurden ausgesprochen gefräßig. Die größeren Exemplare erhielten rechtzeitig vor Winterbeginn ihre Freiheit, damit sie unter gewohnten Bedingungen überwintern konnten. Nur Elvira durfte nach einer Ruhezeit im Keller den Rest des Winters in einem für ihre Bedürfnisse hergerichteten Terrarium im geheizten Zimmer verbringen.

Wir haben uns damals oft gefragt, auf welche Weise Süßwasserschildkröten in Kanada wohl überwintern. Erst lange nach dem Krieg habe ich erfahren, dass sie sich hierzu bei Beginn der kalten Jahreszeit am Grunde ihrer Wohngewässer in den Schlamm einwühlen. Sie tun dies in einer Tiefe, in der die Temperatur nicht unter zwei Grad Celsius sinkt. Die erforderliche Sauerstoffaufnahme erfolgt während der Winterstarre aus dem Wasser - mit Hilfe gut durchbluteter Teile des Enddarms. Durch diese Darmatmung können dem Körper im Vergleich zur Lungenatmung natürlich nur geringe Mengen Sauerstoff zugeführt werden. Aber man muß bedenken, dass alle Stoffwechselvorgänge und damit auch der Sauerstoffbedarf während der Winterstarre auf ein Minimum reduziert sind, so dass die Darmatmung tatsächlich ausreicht, um die Tiere am Leben zu erhalten.