Gefühllos und erschöpft

Da schmetterte das Tageslicht blau und weiß in das Abteil. Der Zug war im Tunnel schneller geworden und jagte jetzt dahin, als ob man ihn nicht mehr anhalten könne. Gefühllos und erschöpft vor Angst starrte der Junge dumpf und ergeben den Mann an. Er sah, wie sich sein Mund öffnete, er sah blendendweiße Zähne zwischen braunen Lippen. "Magst nicht dunklen Tunnel?" Der Fremde lächelte verführerisch. "Komm!" Er winkte mit einem seiner langen, rosa- und braunfarbenen Finger. Der Junge bewegte sich nicht.

"Magst Granatäpfel?" Der Mann stand auf und holte einen geflochtenen Korb aus dem Gepäcknetz. Es könnte ein Korb sein, in dem man eine Katze mit auf die Reise nimmt. "Komm!" Er lächelte freundlich, und als der Junge sich immer noch nicht bewegte, kam er herüber und setzte sich mit schicklichem Abstand neben ihn. Der Junge starrte erschreckt. "Granatäpfel aus Orient. Gut für englischen Jungen, hm?" Der Fremde versuchte, mit seiner Stimme eine Brücke zu schlagen: Jetzt schien auch er ein Junge, der mit seinem Freund einen Granatapfel teilte. "Schöner Granatapfel", griente er gutgelaunt. In seiner Art war jetzt etwas Ungeschicktes, beinahe Borniertes.

Der Korb lag auf seinen Knien. Er begann wieder zu summen. Der Junge schaute unbewegt, abweisend, ohne Verständnis für die freundliche Annäherung. Aber er spürte den widerliche Geruch neben sich noch stärker als zuvor. Die böse Macht lauerte in seine unmittelbaren Nähe.

Der Fremde ergriff einen Stab und hob den Deckel des Korbs, Da leuchtete keine geheimnisvollen Früchte, keine gelb- und rosafarbigen Schalen über saftigem Fleisch und dunklem Kerngehäuse von Granatäpfeln. Aus der Tiefe des Korbes erhob sich der Kopf einer Schlange. Erhob sich langsam, verzaubert von dem Gesang, soeben noch im Schlaf zusammengerollt, und reckte schlaff den goldbraunen Hals. Der Kopf der Schlange schwankte müde vor den Lippen des Mannes. Ihre Augen schienen blind ins Nichts zu starren. Es war eine Kobra.

Tiergeschichten