Das Schicksal war dem Bären günstig
Gegen Sganarell konnte man nun keine Hunde mehr loslassen, denn es war klar, dass er mit seinem Balken mühelos eine Menge von ihnen erschlagen würde. Der Bär bewegte sich aber, den Balken immer noch um sich schwingend, in der Richtung zum Walde, wo Chraposchka und der berühmte Schütze Flegont im Hinterhalte saßen und wo ihn der Tod erwartete.
Eine wohlgezielte Kugel konnte der Sache ein schnelles Ende machen.
Das Schicksal war aber dem Bären ungemein günstig: Nachdem es sich schon einmal in diese Sache hineingemischt hatte, wollte es ihn offenbar um jeden Preis retten.
Im gleichen Augenblick, als Sganarell die Stelle erreichte, wo auf ihn hinter Schneewällen die Musketen Chraposchkas und Flegonts gerichtet waren, riss der Strick. Der Balken flog wie ein Pfeil aus
einem Bogen auf die eine Seite, während der Bär das Gleichgewicht verlor und hinpurzelte.
Denen, die auf dem Felde zurückgeblieben waren, bot sich nun ein neues schreckliches Bild: Der Balken fegte die Gewehrstützen und den Schneewall, hinter dem Flegont im Hinterhalte saß, einfach weg und blieb mit dem einen Ende in einem Schneehaufen stecken. Sganarell verlor aber keine Zeit; er überschlug sich zwar drei- oder viermal, ging dann aber direkt auf das Versteck zu, in dem Chraposchka hockte.
Augenblicklich erkannte Sganarell seinen Freund. Er hauchte ihn aus seinem heißen Rachen an und wollte ihm schon das Gesicht lecken, als plötzlich von der anderen Seite her ein von Flegont abgegebener Schuss knallte. Doch der Bär entkam - und Chraposchka fiel ohnmächtig um. Man hob ihn auf und untersuchte ihn: Die Kugel hatte seinen Arm durchbohrt, in der Wunde steckte aber auch ein Büschel Bärenhaare.
Sganarell war jedenfalls gerettet. Ihn noch am gleichen Abend im Walde zu verfolgen, war ganz unmöglich. Am nächsten Morgen aber war der Geist dessen, der hier allein zu befehlen hatte, von einer ganz neuen Stimmung erleuchtet.
Noch zitterten alle um das Leben des Tierpflegers Chraposchka, an dem der Onkel seinen Zorn auslassen würde. Doch ein weihnachtliches Wunder geschah: Der Onkel ließ sich von der Freundschaft zwischen Chraposchka und Sganarell rühren, schenkte dem Leibeigenen die Freiheit und machte ihn sogar zu seinem Freund.
Freundschaftlich fühlten auch alle Leute im Dorf, denen der Onkel einige Fässer Bier schicken ließ.
GEKÜRZTE FASSUNG. DIE VOLLSTÄNDIGE ERZÄHLUNG WURDE ENTNOMMEN AUS: NIKOLAI LJESSKOW, LADY MACBETH (GOLDMANNS GELBE, BAND 734). MIT GENEHMIGUNG DES WILHELM GOLDMANN VERLAGES, MÜNCHEN.
