Die Rettung der heiligen Vögel

Vögel

Bei uns gibt es den Waldrapp längst nicht mehr. Aber auch in Vorderasien und Afrika ist er vom Aussterben bedroht. Dieser Bericht schildert, wie versucht wurde, eine der wenigen Brutstätten - in der Türkei - zu retten.

Waldrappe

Konrad Gesner, der Zürcher Arzt und Naturforscher, beschrieb im 16. Jahrhundert einen Vogel, den er "Waldrabe" taufte und in schweizerdeutschem Dialekt "Waldrapp" nannte:
"Der Vogel wird von uns gewöhnlich Waldrapp genannt, weil er in stillen Wäldern, an hohen Felsen oder an alten Türmen und Schlössern nistet. Er wird auch Steinrab in Bayern und Klausrab in der Steiermark genannt. Unser Waldrapp wird so groß wie ein Huhn, seine Farbe ist Schwarz. Bei Sonnenschein scheint er grün zu glänzen. Auf dem Kopf hat er einen Federbusch nach hinten gerichtet. Der Schnabel ist rötlich und lang. Er lebt von Heuschrecken, Grillen, Fischen und kleinen Fröschen, auch von Würmern, aus denen später Maikäfer werden. Die jungen Waldrappe sind gebraten eine Delikatesse, denn sie haben ein zartes Fleisch und weiches Gebein."

Junge Waldrappe waren sicher eine Delikatesse, auch zahlreiche Urkunden aus späteren Jahren beweisen dies. Aber lange konnten sich die Feinschmecker nicht daran erfreuen: Ab dem Ende des 17. Jahrhunderts wird der Waldrabe nicht mehr erwähnt. Zu dieser Zeit war er wohl schon aus dem Alpengebiet verschwunden. Was blieb, waren Gesners Aufzeichnungen. Sie wurden von anderen Wissenschaftlern übernommen, aber mehr und mehr mit der Beschreibung von anderen Vögeln verwechselt. Schließlich bezweifelte man des Waldrapps Existenz überhaupt. Gesner war ja auch dem Einhorn aufgesessen und hatte es in allen Einzelheiten beschrieben.

Aber 1897 wurde Gesner rehabilitiert: Einige Vogelkundler bewiesen, dass sein Waldrabe der aus Kleinasien und Nordafrika bekannte Schopfibis war. Diese Ibisse hatte man 1825 am Roten Meer entdeckt; man fand sie dann auch in Algerien, Marokko und Nordost-Afrika. Schließlich spürte der Ornithologe Danford 1879 eine türkische Brutkolonie in Birecik am Euphrat auf.

Um diese Kolonie geht es hier. Sie bestand noch 1953 aus etwa 1300 Waldrappen. Aber 1962 waren es nur noch 250. Im Jahr 1971 kam ich zum erstenmal nach Birecik. Ich fand lediglich noch zwölf Paare mit elf Jungen (amtliche Stellen gaben 30 Brutpaare an). Das war der Rest einer ehemals über tausendköpfigen Brutkolonie! Was war geschehen?