Plankter sind keine Zierformen

Plankton

Losgelöst vom Erdboden konnte, sich die "Plankter" - so nennt man die einzelnen Bestandteile des Plankton - zu Formen entwickeln, die zum Schönsten gehören, was die Natur hervorgebracht hat. Sie haben bis heute auch nüchterne Wissenschaftler zum Schwärmen gebracht. Dabei sind die Plankter durchaus keine Zierformen, sondern ganz rationell den Besonderheiten ihres schwierigen Lebensraumes angepaßt.

Ruderfusskrebs Diaptomus
Ruderfusskrebs Diaptomus

Erstes Erfordernis aller Plankter ist der Kampf gegen das Absinken in die Tiefe, die mit ihrer Finsternis und Kälte, mancherorts auch mit ihrem Sauerstoffmangel dem Leben feindlich ist und nur wenigen spezialisierten Arten des Planktons eine Existenzmöglichkeit bietet. Organismen, die nur für Stunden bis Wochen dem Plankton angehören - dazu zählen die Junglarven fast sämtlicher Meerestiere -, kämpfen oft nur mit Muskelkraft gegen die Schwerkraft. So schießen winzige Schneckenarten mit sandkorngroßen Häusern mit dem raschen Schlag ihrer Wimperkrone durch das Wasser; die glasklaren Larven der Kraken pumpen einen Wasserstrom durch ihren Körper und gleiten so durch das Meer.

Wer aber längere Zeit im Plankton leben will, der muß mit seiner Energie sparsam umgehen, denn das freie Wasser ist meist ein nahrungsarmer Lebensraum. Nur in den küstennahen Meeren, die von Zuflüssen gedüngt werden, wächst im Sommer so viel "Biomasse" an schwebenden Algen wie auf einer Sommerwiese. Da gibt es Nahrung im Überfluß. In den "blauen" warmen Meeren dagegen, vom Mittelmeer bis zu den Tropenmeeren, ist die Algenproduktion außerordentlich gering. Die Wasserwüsten sind da nicht fruchtbarer als die Wüsten der Kontinente. Das wichtigste Mittel, um hier gegen das Absinken zu kämpfen, ist eine Vergrößerung der Körperoberfläche. Denn an der Oberfläche setzt die Reibung ein und bremst den Fall.

Das günstigste Verhältnis von Oberfläche zu Masse herrscht bei kleinen Körpern. Man kann sich das leicht an einem Würfel ausrechnen, der mit Wasser gefüllt ist. Hat er einen Zentimeter Kantenlänge, so wiegt er ein Gramm - 1000 Milligramm - und hat eine Oberfläche von sechs Quadratzentimetern oder 600 Quadratmillimetern. Ein Würfel von einem Millimeter Kantenlänge aber wiegt nur ein Milligramm, hat jedoch eine Oberfläche von sechs Quadratmillimetern.

Das Verhältnis von Oberfläche zu Masse ist bei dem kleineren Würfel also zehnmal günstiger. Darum vor allem sind die meisten Plankton-Organismen so mikroskopisch klein; Tiere und Pflanzen mit großer Oberfläche im Verhältnis zum Körpergewicht schweben im Wasser wie Sonnenstäubchen in der Luft.

Ebenfalls der Oberflächenvergrößerung dienen Dornen und Schwebeborsten, die nach Fallschirmart den Fall mildern. Ein dritter Weg zur Oberflächenvergrößerung geht über die Aufnahme von Wasser in den Körper, der dabei ballonartig anschwillt. Manche Rippenquallen treiben das bis zum Gehtnichtmehr - mit einem Wassergehalt von 99,99 Prozent. Diese Tiere sind so zart, daß sie zerplatzen, wenn ein Taucher sie neugierig mit dem Finger berührt.

Andere Plankter gewinnen Auftrieb nach dem Prinzip des Gasballons: Sie speichern in ihrem Körper Stoffe, die leichter sind als das Wasser. Das können Gase sein wie in der Schwimmblase der Fische und auch der Staatsquallen, die als pastellfarbige Bäumchen an einer gasgefüllten Glocke im Wasser hängen. Für jeden, der mit der Tauchermaske in das milchige Blau des Meeres schaut, ist eine vorübertreibende Staatsqualle in ihrer unbeschreiblichen Schönheit und Verletzlichkeit ein besonderes Erlebnis.

Rüsselkrebs Bosmina longirostris - Verwandte der Wasserflöhe
Rüsselkrebs Bosmina longirostris