König Midas

Diese Ameisen treiben überaus fleißig Vorratswirtschaft und sammeln Getreidekörner, die sie sogar am Keimen hindern, indem sie die Keimblätter anknabbern. Sie können die Größten Lasten schleppen, und wenn eine Ameise erschöpft zusammenbricht, richten ihre Kameraden sie wieder auf, indem sie sich seitlich gegen sie stemmen.

Ameisenkönigin
Eine geflügelte Ameisenkönigin. Königinnen können zwölf Jahre alt werden.
Insekten

Die toten Ameisen der Antike werden feierlich zu Grabe getragen, aber den Gipfel der Raffinesse bringt folgende Geschichte: Um ihn vor den Ameisen zu schützen, hatte ein Bauer seinen Honigtopf mitten ins Wasser gestellt. Da höhlten die Ameisen Getreidekörner aus und ruderten in ihnen zum Topf, bestiegen ihn und fraßen den Honig.

Nicht nur das. Diese antiken Ameisen konnten auch wahrsagen und Glück wie Unheil voraussehen. Dem König Midas von Phrygien in Kleinasien sagten sie seinen späteren Wohlstand schon in der Wiege voraus, indem sie ihm Weizenkörner in den Mund legten. (Daß solcher Reichtum zur Last werden kann, beweist die Sage von Midas, dem später alles, was er berührte, zu Gold wurde.)

Ein griechisches Märchen bezieht das immer wieder auftretende Motiv vom dankbaren Tier auf die Ameise. Ein junger Held, ein Schäfersohn, rettete Ameisen vor dem Ertrinken, indem er ihren Hügel mit einem Damm umgab. Als sich später der junge Mann in die Tochter des Königs verliebte, versuchte der Vater des Mädchens, die nicht standesgemäße Ehe durch eine unerfüllbare Bedingung zu verhindern: Der junge Mann sollte binnen kürzester Frist die Getreidekörner in der Scheune sortieren. Als er keinen Rat mehr wußte, kam ihm der Ameisenkönig zu Hilfe, vollbrachte mit seinem Volk das Unmögliche und verhalf dem Schäfersohn zu Braut und Königsthron.

Der Fabeldichter Aesop verewigt die Ameise zweimal. Im einen Fall erscheint sie kameradschaftlich, im anderen zwar fleißig und umsichtig, aber auch selbstgerecht. Die Fabel ist weltberühmt geworden:

Im Winter, als die Ameisen ihr naßgewordenes Getreide trockneten, bat die hungernde Baumgrille, ihr etwas zu fressen zu geben.

Eine der Ameisen fragte: Warum hast du im Sommer keine Speise gesammelt?"

Die Grille sagte: "Ich hatte keine Zeit, ich mußte zirpen." Da gab ihr die Ameise den seelenvollen Rat: "Wenn du im Sommer Flöte geblasen hast, so tanze im Winter!"

Die neueste Bearbeitung dieser Fabel stammt von William Somerset Maugham, der daraus eine reizende Kurzgeschichte ("The Ant and the Grasshopper") machte. Darin spielt ein Brüderpaar eine Rolle, das in seiner Haltung den Tieren gleicht, dessen Schicksal aber ganz anders ist: Der charmante Faulenzer triumphiert über den rechtschaffenen Familienvater - durch eine reiche Heirat.