Schmelzender Schnee bringt den Tod

Lemminge legen keine Wintervorräte an. Sie halten indes auch keinen Winterschlaf.

Sie nagen unter der Schneedecke weiter Gräser und Wurzeln, sie sind aktiv, buddeln Tunnelsysteme - und haben, nachgewiesen von Biologen der Universität Berkeley/Kalifornien, eine Gefrierschutzsubstanz im Blut. Die Temperatur im Winterbau muss unter dem Gefrierpunkt liegen, weil schmelzender Schnee den Pelz durchnässen würde, und das wäre dann der Kältetod. Lemminge haben sich überdies, wie andere Säugetiere in arktischen Regionen auch, den klimatischen Gegebenheiten - sprich: Härten - angepasst. Ihre Körperanhänge (Füße, Ohren. Schwanz) sind kürzer als bei Arten der gleichen Familie in wärmeren Gegenden. Über diese "Anhänge" verliert der Körper viel Wärme; der Lemmingschwanz aber ist keine zwei Zentimeter lang, die Ohren sind im Pelz versteckt.

Nagetiere

Diese winterfesten Lemminge, Pflanzenfresser (die innerhalb von 24 Stunden ihr eigenes Körpergewicht zufuttern), machen sich nun in einem ungefähren Vier-Jahres-Rhythmus bemerkbar. Sie meiden nicht mehr den hellen Tag. Sie geraten in Bewegung. Sie wandern. Nicht als geschlossener Haufen, jeder wandert für sich, ein mürrischer Einzelgänger. Aber Zigtausende davon sind unterwegs.

Unterwegs nach Hause, vermutete 1870 ein Engländer, W. D. Crotch. Und "zu Hause" sei (Lemmingen kann man alles nachsagen) das versunkene Atlantis. Sie seien einmal von Atlantis gekommen und suchten es seither - im Meer, irgendwo. Das Phänomen des Lemmingzugs, der erst im Meer mit dem Tod der Tiere endet, war damit erklärt. Heimweh...