Viele Hausenten verscheiden am Herzinfarkt

Seit mehr als einem Jahrzehnt bin ich auf die Ente gekommen. Im Gegensatz zu manch anderem Tier, das bei uns zeitweise graste, haben mich meine Enten das Engagement für sie noch nie bereuen lassen. Auch wenn die ersten von ihnen heute nicht mehr unter uns weilen: sie haben Nachfolger erhalten, die ihrer Ahnen würdig sind.

Vögel

Alles fing damit an, dass wir auf einem ländlichen Markt eine fröhlich durcheinanderwuselnde Schar gelber Entenbabies erblickten. So etwas muschelig zum Streicheln und Freuen Geeignetes verführte zwangsläufig zum Einkauf. Unser bäuerlicher Hauswirt machte ein recht verdutztes Gesicht, als er zum erstenmal die vier Enten erblickte, die unseren dörflichen Vorgarten bevölkerten. Als wir ihm von unserem Plan erzählt hatten, war er noch ganz angetan gewesen. Wenn Leute aus der Stadt sich Enten anschaffen, so hatte er wohl vermutet, werden sie bunt schimmernde, exotische Zierenten wählen, die Garten und Haus zum Schmuck gereichen. Aber da hatte er sich leider geirrt. Die Enten, die sich bei uns fortan tummelten, gehörten zur ganz biederen Sorte weißer Landenten, wie sie auf vielen Bauernhöfen watscheln.

Reihererpel
Reihererpel

Dennoch gab es einen Unterschied: Während die Bauernenten üblicherweise und im wahren Wortsinn den Weg allen Fleisches gehen, waren unsere vier dazu bestimmt, als Stammgeschlecht von Entengenerationen so lange am Leben zu bleiben, wie Schicksal und Gesundheit es ihnen bescheren würden. Allerdings - wir hatten die Rechnung ohne die Natur gemacht. Oder hätten Sie gewusst, dass der Erpel die Potenz, mit der er seine drei Entendamen und ihre Eier zunächst programmgemäß beglückte, schon nach wenigen Jahren verlieren würde? Liebesfähigkeit von Erpeln ist begrenzt; von einem Sommer zum anderen war die Fruchtbarkeit unserer Enten erlahmt. Zwar legten die Damen nach wie vor beflissen ihre Eier, die aber waren taub. Der Nachwuchs blieb aus. Balduin, der Erpel, musste seine familienbildende Stellung einem anderen, einem Jüngeren abtreten. Sein Schicksal sei in gnädiges Dunkel gehüllt ...

Dennoch darf Balduin hier ein letztes Ruhmesblatt gewidmet werden. Er war ein wehrhafter Erpel. Wann immer einer von uns ihm den Rücken kehrte, benutzte er die Gelegenheit, uns lautlos nachzueilen, um mit weit geöffnetem, empörtem Schnabel den völlig irrigen Eindruck zu erwecken, als schlage er uns in die Flucht. Wir brauchten uns zwar nur umzudrehen, um ihn kehrt machen zu lassen. Aber bis dahin hatte er seinen Damen den unübersehbaren männlichen Mut bewiesen, den diese so schätzen. Wir vermieden es, ihm die Schau zu stehlen.

Wenn auch auf dem Papier steht, dass Enten ein Alter bis zu 30 Jahren erreichen können, so sorgen vielerlei unvorhersehbare Zwischenfälle doch dafür, dass nur die wenigsten es auf dieses entenbiblische Alter bringen. Die allen Enten eigene vermaledeite Fresssucht und das Fehlen einer Kalorientabelle können dazu führen, dass sie regelrecht einem Herzinfarkt zum Opfer fallen. Auch der Fuchs spricht gelegentlich ein Wort mit. Unsere ersten Enten mussten daher bereits einer neuen Generation weichen, die freilich inzwischen auch schon wieder einige muntere Jahre auf dem Buckel hat und an Schlauheit, Findigkeit und Appetit die mit ihnen lebenden Gänse um viele Längen schlägt.